Maryam Akhondy
مریم آخوندی
Musikprojekte
Musikprojekte
Maryam Akhondy – Zwischen Tahrir und Weltmusik
 
Maryam Akhondy wurde 1957 in Teheran geboren und gilt als eine der Virtuosinnen des klassischen persischen Gesangs. Mitte der 70er-Jahre wurde sie vom bekannten iranischen Operettenkomponisten Ostad (Meister) Esmail Mehrtasch als damals 18-jähriges Talent entdeckt und unterrichtet. Danach studierte Maryam Akhondy bei Ostad Nassrollah Nassepour (einem ebenfalls sehr bedeutenden Lehrer persischen Gesangs) Radif, die Ordnung und Systematik persischer Musik. Es folgten erste Konzerte und TV-Auftritte.
 
Die Folgen der iranisch-islamische Revolution von 1979 und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen stoppten dann die beginnende Karriere der jungen Vokalistin: Fortan war es Frauen nämlich verboten, als Sängerinnen öffentlich aufzutreten. Maryam Akhondy, inzwischen auch studierte Theaterwissenschaftlerin, wanderte mit ihrer Familie nach Deutschland aus, um dort einen künstlerischen Neuanfang zu wagen.
 
Ab 1986 in Köln wohnend, bekam sie bald Kontakt zu anderen im Exil lebenden Künstlern, war Mitbegründerin der persischen Musikgruppe Tschakawak und Sängerin bei Nawa. Mit beiden Gruppen unternahm Maryam Akhondy erste Tourneen, u.a. durch Dänemark und Schweden. Mit dem von ihr im Jahr 1992 gegründeten Ensemble Barbad, einem klassisch besetzten Orchester für persische Kunstmusik, konzertiert sie bis heute in Deutschland und im europäischen Ausland. 2004 geschah dies erstmals auch mit einem Programm islamisch geprägter Musik, erarbeitet für das Festival Musica Sacra International in Marktoberdorf, bei dem alle zwei Jahre die Musik der großen Weltreligionen im prachtvollen Ambiente bayerischer Barock-Kirchen und -Schlösser präsentiert wird.
 
Im Bereich des Musiktheaters war Maryam Akhondys Produktion Andaruni (1997 bis 1999) angesiedelt: Mit ihrem iranischen Singspiel erinnerte sie an eine kaum bekannte persische Musik, die ursprünglich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und deshalb auch nicht in Konzertsälen zu hören war. Andaruni (was wörtlich übersetzt "von innen" heißt, aber auch den intimsten, nur der Familie vorbehaltenen Teil eines traditionellen persischen Wohnhauses bezeichnet) erzählte von den alltäglichen Erlebnissen und Sorgen der Menschen: von den Kaffeehaus-Gesprächen der Männer, lautstarken Ehestreitigkeiten, prahlenden Nachbarn und betrügerischen Basarhändlern – das alles aber mit einem deutlich erkennbaren Augenzwinkern vorgetragen und mit einer gehörigen Portion Humor gewürzt. Andaruni war eine Art Musical mit bis zu 100 Jahre alten Versen und Melodien, passenden Kostümen und einer gewollt überpointierten Theatralik. Maryam Akhondy brachte das Stück in Paris, Wien, Kopenhagen, Hamburg, Kiel, Frankfurt und Köln auf die Bühne.
 
An einem interessanten Weltmusik-Projekt hat sich Maryam Akhondy von 1994 bis 1999 beteiligt: Mit der Kölner Schäl Sick Brass Band verband sie westliche und orientalische Klänge in einer bis dahin unbekannten Weise und gastierte mit dieser Gruppe nicht nur auf vielen großen Musikfestivals in Europa, sondern gab auch Konzerte in Marokko und in der Türkei. Für die 1996 bei Network (Frankfurt/Main) erschienene Debüt-CD "Majnoun" erhielt die vielseitige Band den Preis der Deutschen Schallplattenkritik, ebenso für ihren zweiten Tonträger "Tschupun", der im April 1999 bei ACT (Feldafing) veröffentlicht wurde. Im Herbst 2004 reiste Maryam Akhondy auf Einladung des Goethe-Instituts mit der Schäl Sick Brass Band zu gemeinsamen Konzerten nach Syrien, in den Libanon, nach Palästina, Jordanien und Ägypten.
 
Es sind solche künstlerischen Grenzüberschreitungen, die Maryam Akhondy immer wieder reizen und deshalb zu einer besonders auffälligen Botschafterin persischer Musikkultur machen. So zum Beispiel im Sommer 1999, als sie sich beim Festival Women Of The World im dänischen Arhus mit Yungchen Lhamo (Tibet) und Ida Kelarova (Tschechien) traf, um zum Motto "East Meets Far East" ein gemeinsames Konzert zu erarbeiten. Im Frühjahr 2000 folgte eine Tournee mit dem in den USA lebenden afghanischen Sänger und Musiker Nahim Popal und zu ihrem Konzert beim traditionsreichen Iranischen Theaterfestival in Köln erschien Maryam Akhondy im gleichen Jahr sogar mit einem eigens dafür zusammengestellten afghanisch-indischen Orchester.
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Maryam Akhondy beim Konzert "Spurensuche" während der RuhrTriennale 2009
 
2008 wirkte Maryam beim Konzert „Spurensuche“ während der RuhrTriennale mit. Unter der Leitung des Kölner Musikers und Arrangeurs Mike Herting traf sie in der Turbinenhalle des Landschaftsparks Duisburg auf Marianna Zadowska aus Bulgarien, Eda Zari aus Albanien und Rosani Reis aus Brasilien. Die Begegnung der Ausnahmekünstlerinnen bescherte dem begeisterten Publikum einen unvergesslichen Abend, an dem die vier Sängerinnen nicht nur als Solistinnen glänzten, sondern sich auch zu überraschenden gesanglichen Fusionen zusammenfanden.
 
Ein weiteres Beipiel einer von Maryams musikalischen Grenzüberschreitungen: die Mitwirkung an Bobby McFerrins improvisierter Oper "Bobble" im Amphitheater Augusta Raurica in Basel (CH), eine Art Welttheater der Stimmen. Der Europapremiere im Juli 2009 war im Jahr davor die Welturaufführung in der New Yorker Carnegie Hall vorausgegangen und im Frühjahr 2009 eine weitere in Abu Dhabi (VAE).


 
 
Banu – Die weiblichen Stimmen Persiens
 
Zur Vorgeschichte des Projekts: Im heutigen Iran ist der öffentliche Auftritt von Künstlerinnen mit größten Schwierigkeiten verbunden, der von Gesangssolistinnen nahezu unmöglich. Religiös begründete Regeln haben Jahrhunderte lang selbst den Männern das Musikmachen verboten. Nur bei religiösen Singspielen, Tazieh genannt, war das möglich. Männern war es untersagt, den Gesang der Frauen zu hören. Die sangen deshalb vorwiegend in privater Sphäre, vor allem dort, wo Frauen unter sich waren: am Kinderbett, bei der Haus- und Feldarbeit, am Teppichwebrahmen oder bei reinen Frauenfesten.
 
Maryam Akhondy hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese alten Lieder zum Leben zu erwecken. Zusammen mit ihrer Gesangsgruppe – musikbegeisterte Exiliranerinnen, die in Deutschland leben – möchte sie auch den persischen Frauen eine Stimme geben, die bisher auf den Bühnen der Konzertsäle und Festivals nicht mit ihren Liedern präsent waren – mit Melodien und Texten, in denen die Frauen selbst vom Leben erzählen: von harter Arbeit und fröhlichen Festen, von großer Trauer und bedingungsloser Liebe. Banu (das persische Wort für „Frau“ oder auch "Dame") ist, trotz farbenfroher Trachten und Gewänder, keine pittoreske Folkloregruppe. Die beteiligten Sängerinnen verstehen sich vielmehr als musikalische Erforscherinnen der verschiedenen Regionen und Ethnien Irans – mit einem besonders neugierigen Blick auf die Gesangskultur der Frauen.
 
Ersten Auftritten in Deutschland folgten Konzertreisen nach Wien, Istanbul und London. In den folgenden Jahren gastierte die Gruppe u.a. beim Internationalen Euregio-Chorfestival in Jülich und beim Frauenstimmen-Festival in der Frankfurter Brotfabrik. Das Jahr 2004 begann für den Banu-Chor mit einer äußerst erfolgreichen Tournee durch sieben Städte Nordrhein-Westfalens und der Veröffentli-chung seiner ersten CD „Maryam Akhondy BANU – Songs of Persian Women“. Es folgten Auftritte in Udine (I), im Rasa-Kulturzentrum in Utrecht (NL), bei der Nacht der Stimmen in Marburg, dem renommierten internationalen Musikfestival im süditalienischen Palinuro, dem Liederflut-Musikfestival 2004 in Grimma und bei der Spielzeiteröffnung der Kölner Philharmonie. Wichtige Konzerte im Jahr 2005 waren die beim Morgenland-Festival in Osnabrück und bei der NRW-Kulturreihe Der Neue Orient, 2006 die im Rahmenprogramm der Fußballweltmeisterschaft in Nürnberg, Bielefeld und Köln, 2007 bei den Musikfestivals Voicemania in Wien und Musiquat in Sidi Bu Said (Tunesien). Konzerthöhepunkt des Jahres 2008 war der Auftritt in der Oper von Rouen (F), der des Jahres 2009 beim deutsch-französischen Kulturfestival Tausendundein_Iran in Karlsruhe.
 
 
Ab 2005 entwickelte Maryam Akhondy, parallel zur Arbeit mit dem Banu-Chor, eine neue Projektidee für das Barbad Ensemble, die 2006 in einer weiteren CD und 2007 in einer ersten Konzertreihe zu einem uriranischen Thema mündete:
 
Sarmast – Lieder zu Texten persischer Dichter
 
„Sarmast“ ist das persische Wort für „berauscht“. Und berauscht fühlte sich Maryam Akhondy immer dann, wenn sie sich in die Gedichte der großen persischen Poeten vertiefte. Davon inspiriert, kleidete Maryam einige dieser Texte in ein musikalisches Gewand, um, wie sie sagt, „die beim Lesen empfundenen Gefühle der Beglücktheit auf meine Art auszudrücken.“ Die aus der traditionellen persischer Musik abgeleiteten Melodien hätten ihr zudem geholfen, mehr über sich und ihre geistigen Wurzeln zu erfahren: „Es war wie der Eintritt in eine mir noch nicht wirklich bekannte Welt.“ Dabei beschrieben viele der Lieder nur scheinbar profane Dinge wie Wein und die damit verbundenen Rauschzustände. Tatsächlich aber enthielten die Texte manchmal ver-steckte Botschaften, seien Wörter und Begriffe häufig nur in einem übertragenen Sinne zu verstehen. Und: „Der Kontrast zwischen der poetischen Sprache vergangener Tage und der unserer heutigen Zeit – der ist spannend, der hat mich fasziniert.“
 
Zu den Texten, meist Auszüge aus längeren Gedichten, und deren Verzahnung mit der iranischen Musik: Hafez (1320 bis 1389), Attar (1175 bis 1251), und Khayyam (1065 bis 1151) sind wohl die größten Vertreter der persischen Dichtkunst. Hafez und Attar sind für Ihre Gaselen (lyrische Gedichte, meist über die Liebe) und Khayyam für seine Vierzeiler (Robaiyat genannt) bekannt. Dem Abendland wurde Hafez durch die deutsche Übersetzungen von Hammer und Rosenzweig-Schwannau, insbesondere aber durch Goethes „West-östlicher Divan“ bekannt, während Khayyam durch Nachdichtungen Oscar Fitzgeralds für an Literatur Interessierte zu einem Begriff wurde. Attar hingegen ist den Europäern bis heute fast unbekannt geblieben.
 
Die persische Kunstmusik und Dichtkunst sind eng miteinander verbunden und von mystischen Bildern und Klängen durchtränkt. In dieser Musik geschieht der Übergang zur Ekstase durch rhythmische und klangliche Monotonie. Die häufige Wiederholung einzelner Melodieteile steigert deren ekstatische Wirkung, die im Extrem sufistischer Musik und Tänze ihre größte Intensität erlebt. Die blumenreiche Sprache der persischen Dichter beschreibt sowohl die gegenständliche als auch die geistige Welt. Die Einheit dieser beiden Welten ist nur in Ekstase erfahrbar. Erst dann bekommen Musik, Tanz, Wein, Glaube und Liebe das gleiche Gewicht, werden Texte und Begriffe austauschbar und stehen abwechselnd als Synonym für das jeweils andere.
 
Die CD SARMAST – Iranian Art Music for Texts of Persian Poets” erschien im Sommer 2006.


Der Klang Persiens - Chorprojekte mit Frauen

Neben dem Banu-Chor arbeitet Maryam Akhondy als Dozentin auch mit weiteren Gesangsgruppen. Inhalt ist dabei immer die persisch-iranische Musik. Zielgruppe sind Frauen aller Nationalitäten, für die Maryam die iranischen Liedtexte lautmalerisch aufbereitet. Kenntnisse der persischen Sprache sind daher keine Voraussetzung für die Teilnahme. Der nächste Workshop dieser Art findet am 21. und 22. April 2012 im Rahmen der Klangwelt-Workshops in Toggenburg/CH statt.